Die Reihe Limbus Preziosen im Porträt
Limbus Preziosen – Die Lust an der Entdeckung unbekannter Klassiker
Von Bernd Schuchter
Preziosen sind Perlen, die es zu entdecken gilt, wenig Bekanntes oder Vergessenes oder – wie im Fall von Henry David Thoreau – auch berühmte Texte in der Nussschale, etwa sein grandioser Essay Leben ohne Grundsätze. Die dahinterstehende Idee ist es, mit kürzeren, angenehm lesbaren Texten den Einstieg in die Weltliteratur zu erleichtern.
Die Bände der kleinen Reihe im schmalen Format zum günstigen Preis sind der ideale Begleiter für die Westentasche: mit Texten von Kurt Tucholsky, Stefan Zweig, Heinrich Heine, Marlen Haushofer oder Jonathan Swift. Bücher zum Neben-die-Kassa-Legen, individuell gestaltet und sorgfältig ausgestattet; natürlich mit Lesebändchen. Die Bücher geben aber auch einen Überblick über Leben und Werk der jeweiligen Autor*innen: Ein Nachwort und eine Zeittafel oder ein Glossar ergänzen diese kleinen Entdeckungen. Hervorzuheben ist auch die individuelle Gestaltung der Einbände, für die mehrere Zeichnerinnen verantwortlich sind, die das Bild des Verlags seit Jahren prägen.
ZUM NEBEN-DIE-KASSA-LEGEN
Die Limbus Preziosen sind mittlerweile so vielfältig wie die Schriftsteller*innen, die es zu entdecken gilt. Oft sind es weniger bekannte Texte bekannter Autor*innen, die als Einstieg in das restliche Werk dienen mögen. Joseph Roths Romane sind Literaturgeschichte, aber seine Beobachtungen über das Leben im Hotel sind Augenöffner für jede*n Reisende*n; schließlich war Roth ein jahrzehntelanger Reisender und lebte ein halbes Leben lang aus dem Koffer.
Es gibt aber auch Entdeckungen wie Zur Erteilung des Frauenwahlrechts von Harriet Taylor Mill oder Ètienne de La Boéties Essay Abhandlung über die freiwillige Knechtschaft. Man kann über die ironisch-pointierten Auslassungen Kurt Tucholskys in Traktat über den Hund lachen oder Über die moderne Art des Reisens von Vernon Lee staunen, als die Fortbewegung mit der Eisenbahn noch State of the Art war. Auch Paris ist immer eine Reise wert, am besten mit den Feuilletons von Walter Hasenclever im Gepäck, der selbst bekennen muss: Ich verliere mein Herz an Frankreich. Oder man wagt sich in den wackligen Heißluftballon des Luftfahrtpioniers Jean-Pierre Blanchard und seiner Frau Sophie und schwebt über verschiedensten Landschaften Europas.
ICH VERLIERE MEIN HERZ AN FRANKREICH
Im aktuellen Programm gibt es Anleitungen für eine Philosophie auf der Terrasse; Victor Aubertin ist als deutscher Feuilletonist eine Entdeckung wert. Neu entdecken kann man den Spötter und Zyniker Jonathan Swift, dessen Gulliver jede*r kennt, ohne ihn zu verstehen. Insgeheim geht es letztlich doch um die Verdauung, und: das Furzen.