Aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen
Von Bernd Schuchter
Klassiker zu lesen bedeutet meist – es mag Ausnahmen geben – großen Geistern beim Denken zuzusehen. Der Glücksfall für einen Leser, ein Buch klüger zu verlassen, als man es betreten hat, mag bei Autoren wie Henry David Thoreau oder Heinrich Heine eher vorkommen. Jene Bücher von berühmten Autorinnen und Autoren, die in der Reihe Limbus Preziosen versammelt werden, sind vor allem aber auch Entdeckungen, meist weniger bekannte Bücher, denen der Staub der Jahrhunderte abgeklopft wird, um sie neu und oft erstmals staunend zu lesen.
Die meisten Leser kennen Walden oder Leben in den Wäldern von Henry David Thoreau, aber wer hat schon einmal von seiner Schrift Leben ohne Grundsätze gehört, mithilfe derer man einen idealen Einstieg in das Denken dieses großen amerikanischen Philosophen bekommt. Frank Schäfer, der die aktuelle Thoreau-Biografie bei Suhrkamp geschrieben und auch den Limbus-Band als Herausgeber betreut hat, nennt das Buch „Walden in einer Nussschale“.
Beaumarchais ist als Autor des Figaro und des Clavigo weltberühmt, seine Briefe ohne Nadeln geben einen völlig anderen Einblick in das Leben der damaligen Zeit und sind ein Meisterstück der erotischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Dank der Übersetzerin Sylvia Tschörner sind die Briefe nun erstmals in deutscher Sprache zu lesen.
Étienne de La Boétie kennt man als Freund von Montaigne, der mit seinen Essais ein ganzes Genre begründet hat und deren Grundlage seine Lektüreerfahrungen waren – in der Bibliothek übrigens, die ihm sein zu früh verstorbener Freund und Seelenverwandter Étienne de La Boétie vermacht hat. Mit seiner Abhandlung über die freiwillige Knechtschaft ist er als eigenständiger Denker selbst zu entdecken. Und natürlich kennt man die Bienenfabel des unvergleichlichen Bernard Mandeville, aber seine Bescheidene Streitschrift für öffentliche Freudenhäuser, eine ebenso luzide wie ironische Abrechnung mit der Doppelmoral des gemeinen Spießers? Die feinsinnige Übersetzung sowie das kluge Nachwort von Ursula Pia Jauch machen diesen Versuch über die Hurerei, wie es im Untertitel heißt, zu einem intellektuellen Erlebnis.
Die Fundstücke weniger bekannter Schriften berühmter Autoren in der Reihe Limbus Preziosen sind mehr als nur Lektüreempfehlungen, mit ihnen kann man tatsächlich aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen. Ganz im Sinne der Aufklärung, ein wenig mehr Licht!
Die Reihe Limbus Preziosen
Preziosen sind Kostbarkeiten, etwas Wertvolles und Besonderes, das es zu entdecken gilt. In der Reihe Limbus Preziosen erscheint besondere Literatur in ansprechender Ausstattung mit individuellem Buchschmuck; eine Hommage an die leidenschaftliche Buchgestaltung der Gründerzeitverlage, natürlich mit Lesebändchen. Das kaschierte Umschlagschildchen ist – ohne sich vergleichen zu wollen – eine Hommage an die berühmte Insel Bücherei.
Ein Schwerpunkt der Reihe sind besonders lesenswerte Texte zeitgenössischer Autorinnen und Autoren, die eine ebenso besondere Ausstattung verdienen. Zu erwähnen sind etwa Wolfgang Hermanns schwebende Erzählung Das japanische Fährtenbuch oder der Roman Steingrubers Jahr von Ralf Schlatter. Viel Aufmerksamkeit erregte auch die fein gearbeitete historische Miniatur Stefan Zweigs Reise ins Nichts von Reinhard Wilczek.
Einen zweiten Schwerpunkt in der Reihe Limbus Preziosen bilden die sorgfältig edierten Neuauflagen weniger bekannter Texte berühmter Autorinnen und Autoren, neu zu entdeckende Klassiker aus Philosophie und Literatur, von Heinrich Heine über Beaumarchais bis hin zu Henry David Thoreau.